Inhaltsverzeichnis:
- Berliner Koalition beschließt Eckpunkte
- Kritik von CDU, Grünen und Initiativen
- Verfassungsrechtliche Grundlage bleibt umstritten
- Initiative arbeitet an eigenem Gesetz
- Die politische Lage bleibt angespannt
Berliner Koalition beschließt Eckpunkte
Der Senat aus CDU und SPD hat am vergangenen Wochenende zentrale Punkte für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz beschlossen. Ziel ist die rechtliche Klärung, wann große Unternehmen enteignet werden könnten. Diese Maßnahme könnte insbesondere greifen, wenn Firmen dauerhaft gesetzliche Vorschriften ignorieren oder Investitionen unterlassen, um Profite zu maximieren. Der Entwurf sorgt bereits für breite Kontroversen – juristisch wie politisch.
CDU und SPD haben sich in ihrer Klausurtagung im Havelland auf grundlegende Inhalte für das Rahmengesetz verständigt. Die Koalition will vorerst keine konkreten Enteignungen vornehmen, sondern den rechtlichen Rahmen definieren, in dem eine Vergesellschaftung überhaupt möglich wäre.
Das betrifft neben dem Wohnungssektor auch Energiekonzerne und andere Versorgungsbetriebe. Besonders heikel ist ein Passus, der eine Enteignung erlauben könnte, wenn Unternehmen über längere Zeit zu wenig in den Klimaschutz investieren oder Umweltvorgaben missachten. Ein weiteres Ziel der Koalition ist, das Bundesverfassungsgericht mit einer Vorabprüfung des Rahmengesetzes zu betrauen. Die endgültige Umsetzung könnte sich dadurch um bis zu zwei Jahre verzögern.
Kritik von CDU, Grünen und Initiativen
Christian Gräff (CDU), wirtschaftspolitischer Sprecher im Berliner Abgeordnetenhaus, hält das Gesetz für überflüssig. Er warnt davor, den Verstoß gegen Klimaziele als Grundlage für Enteignungen zu nutzen. Solche Eingriffe müssten im Einzelfall gut begründet und rechtlich einwandfrei sein. Eine pauschale Maßnahme gegen Unternehmen mit mehr als 5.000 Wohnungen lehnt er entschieden ab.
Auch Katrin Schmidberger (Grüne) spricht von Symbolpolitik. Sie wirft der Koalition vor, keine konkreten Schritte zu unternehmen, obwohl die Expertenkommission bereits 2023 festgestellt hatte, dass Vergesellschaftungen rechtlich möglich seien. Besonders scharf reagiert die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Sprecherin Ina Mühlhaus bezeichnet das Gesetz als „juristischen Unsinn“ und kritisiert die Vorabprüfung durch das Verfassungsgericht. Sie fordert einen sofortigen Umsetzungsplan statt eines „Rahmens ohne Inhalt“.
Verfassungsrechtliche Grundlage bleibt umstritten
Das geplante Rahmengesetz beruft sich auf Artikel 14, 15 und 20a des Grundgesetzes. Artikel 14 garantiert das Eigentum, erlaubt aber Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit – jedoch nur im Einzelfall und mit Entschädigung. Artikel 15 geht noch weiter: Er erlaubt es, Grund und Boden sowie Produktionsmittel in Gemeineigentum zu überführen. In der Praxis kam er bisher nicht zur Anwendung.
Artikel 20a verpflichtet den Staat zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2021 betont, dass Klimaschutz auch zukünftige Generationen betrifft. Ob aus diesen Artikeln eine Grundlage für eine systematische Vergesellschaftung abgeleitet werden kann, bleibt strittig.
Der Berliner Senat betont, dass das Gesetz keine Zwangsmaßnahme sei. Bausenator Christian Gaebler (SPD) erklärt, es gehe nicht nur um Enteignungen, sondern auch um gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung.
Initiative arbeitet an eigenem Gesetz
Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ plant einen eigenen Gesetzentwurf. In Zusammenarbeit mit einer renommierten Kanzlei will sie ein Modell vorlegen, das alle verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Ziel ist ein Volksentscheid. Ein Datum steht noch nicht fest.
Der Gesetzentwurf soll folgende Punkte klären:
- Klare Definition der Vergesellschaftungskriterien
- Finanzierungsrahmen und Entschädigungsmodelle
- Rechtssicherheit für die Umsetzung
- Demokratische Legitimation durch Volksentscheid
Die Initiative wirft der Koalition Verzögerung vor und sieht im Handeln von CDU und SPD den Versuch, politischen Druck abzubauen, ohne echte Lösungen zu liefern. Ähnlich argumentieren auch die Grünen.
Die politische Lage bleibt angespannt
Zwischen SPD und CDU gibt es keine Einigkeit über das Ziel des Rahmengesetzes. Während die SPD Artikel 15 des Grundgesetzes tatsächlich anwenden will, lehnt die CDU jegliche Enteignung ab. Genau daran entzündet sich der Vorwurf mangelnder Glaubwürdigkeit.
Oppositionsparteien und Initiativen zweifeln, dass das Gesetz mehr als ein symbolischer Schritt ist. Auch innerhalb der Bevölkerung wird die Diskussion aufmerksam verfolgt – viele Berlinerinnen und Berliner erwarten Lösungen in der Wohnungsfrage.
Fakt ist: Die Umsetzung des Volksentscheids zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne wird weiter hinausgezögert. Der Druck auf die Landesregierung wächst. Ob die Initiative mit ihrem eigenen Gesetzentwurf schneller vorankommt, bleibt abzuwarten. Die juristischen, politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen rund um das Thema werden Berlin noch lange beschäftigen.
Quelle: Berliner Zeitung, www.welt.sn2world.com