Freitag, 11 November 2022 13:38

Alle Sofas für alle Leute

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Conforama.ch Conforama.ch pixabay

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Hinsetzen sollten sich alle dürfen, die darauf gerade Lust haben.

 

Nur, weil die einen mehr Geld haben, sollen sie sich auf die allerbesten Sofas setzen dürfen? Schmach und Schande! Nein, Gleichberechtigung muß her! Es ist ja sogar viel schöner, in der Gruppe sich auf einem Sofa oder einer anderen Liegestatt niederzulassen. Weg mit der Benachteiligung im Bildungs- und Liegesektor! Gleichberechtigung, Mitbestimmung, Gemeinsamkeit, Gemeinschaftseigentum.

Stoffsofa gehört zu Lederleuten

Sage mir, wie du dich kleidest – und ich sage dir, wer du bist. Sage mir, welche Musik du magst – und ich sage dir, wer du bist. Ja, solche Dinge verraten viel über die Persönlichkeit eines Menschen. Auf eine ähnliche Weise müßte es doch auch möglich sein, über den Möbelgeschmack das Herz oder den Charakter eines Menschen zu erforschen, diesen Phänomenen näherzukommen. Mag es einer eher schwülstig-barock, eher kindisch-verspielt, eher nüchtern-sachlich, eher rustikal-praktisch, eher romantisch-phantasievoll oder doch eher repräsentativ-anonym? Tja, ein weites Feld, dieses „Aus-der-Hand-Lesen” auf der Grundlage des Verhältnisses eines Menschen zu Möbeln. Oft genug ist es natürlich auch so, daß Menschen darunter leiden, wovon sie hier in dieser Wohnung dauerhaft umgeben sind. Sie fühlen sich beengt, eventuell an irgendwelche traumatischen Ereignisse aus ihrer Kindheit oder Jugend erinnert … Oder, ganz im Gegenteil: Man fühlt sich gefühlsmäßig derart mit der einen umschließenden Möbellandschaft verbunden, daß man sich nie im Leben vorstellen könnte, diesen Ort freiwillig zu verlassen. Die gewaltige Macht der Gewohnheit.

Ecksofa gehört zu runden Leuten

Bei 78 verschiedenen Sofas hat man ganz schön zu tun, will man alle auch nur oberflächlich einmal kennenlernen. Eigentlich müßte man ja an diversen Orten jeweils so zwei Wochen probewohnen, um auch nur halbwegs das ganze Ausmaß so einer Wohnentscheidung, so einer Einrichtungsentscheidung ermessen zu können. Conforama.ch ist auf jeden Fall ein guter Anlaufpunkt, eine günstige Meldeadresse sozusagen. Haufenweise und tonnenweise und containerweise sind in den stationären, allgemein zugänglichen Geschäften die Möbel aufgestellt, herausgeputzt und drapiert – das Übernachten ist dort im Allgemeinen leider nicht zulässig. Wie oft habe ich schon den mehr oder weniger heimlichen Seufzer ausstoßen gehört: Ach, wie ist es hier doch so schön und stimmig eingerichtet. Am liebsten würde ich sofort auf der Stelle mit Sack und Pack einziehen! Tja. Wenn man zusätzlich noch die 113 Ecksofas berücksichtigt, die 15 Ledersofas, die 157 Stoffsofas, die 36 Kunstledersofas, die 40 Bettsofas und, last not least, noch die 21 Positionen aus der Abteilung „Modulares Sofa und Sofazubehör”, entstehen vielleicht euphorische Glücks- oder bedrückende Angstzustände. Ist so eine überbordende Pracht von einem einzelnen Menschen eigentlich noch zu überschauen, zu bewältigen, kann man sich hier in diesem Gewirre von Anblicken und Produktbeschreibungen noch zurechtfinden? Manchmal hilft es in so einer Situation, mit einem lieben Menschen ein freundliches Gespräch zu beginnen.

Bettsofa gehört zu müden Leuten

Da wird man dann vielleicht auf so einem Spaziergang (kann auch in der Form eines womöglich weniger zeitaufwendigen und kostspieligen Gedankenexperimentes durchgeführt werden) dermaßen erschöpft auf einem Parkbänklein, am Küchentisch oder auf dem Sofa zusammensinken, daß die Welt um einen herum plötzlich zurückweicht, keine Rolle mehr spielt, nicht mehr grell-bunt-laut störend ingeriert und sich aufdrängt – und man wird von einem befreienden Schlümmerchen erlöst.