Mittwoch, 12 Juni 2024 10:17

Verteidigungsminister Pistorius stellt neues Wehrdienst - Modell vor

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Bundeswehr - Deutschland Bundeswehr - Deutschland fot: pixabay

Am Mittwoch hat Verteidigungsminister Boris Pistorius seine Pläne für ein neues Wehrdienst-Modell präsentiert. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, eine Erfassung aller wehrfähigen Männer zu gewährleisten und könnte das deutsche Militärwesen erheblich beeinflussen. Der Plan hat bereits vor der offiziellen Vorstellung gemischte Reaktionen hervorgerufen, wobei sowohl Lob als auch Kritik laut wurden.

Verteidigungsminister Pistorius und seine Pläne

Boris Pistorius, Verteidigungsminister und Mitglied der SPD, stellte am Mittwoch seine Pläne für einen neuen Wehrdienst vor. Im Kern dieser Vorschläge steht die Erfassung aller Männer, die potenziell für den Wehrdienst in Frage kommen. Vor der eigentlichen Pressekonferenz wurden diese Pläne bereits bekannt gegeben, was zu einer breiten Diskussion in den Medien führte.

Das vorgeschlagene Modell basiert auf einem Fragebogen, der an alle 18 - jährigen Männer eines Jahrgangs verschickt werden soll. Frauen haben die Möglichkeit, diesen Fragebogen freiwillig auszufüllen. Der Fragebogen soll Informationen darüber sammeln, ob die Befragten grundsätzlich bereit wären, Dienst an der Waffe zu leisten. Ein kleiner Teil der Befragten würde daraufhin zur Musterung eingeladen, nach der sie selbst entscheiden könnten, ob sie der Bundeswehr beitreten möchten.

Fragebogenmodell und mögliche Wehrdienstdauer

Das neue Modell sieht vor, dass der Dienst zwischen sechs und zwölf Monaten dauern könnte. Der frühere Wehrbeauftragte Hans - Peter Bartels (SPD) äußerte sich kritisch zu diesem Ansatz. Er betonte, dass verlässliches Personal für die Bundeswehr erforderlich sei und dies nicht allein durch ein Fragebogenmodell erreicht werden könne. Bartels forderte, dass alle jungen Männer gemustert werden sollten und ihnen dann die freiwillige Entscheidung überlassen werde, ob sie Wehrdienst leisten möchten. Allerdings fehle der Bundeswehr derzeit die nötige Infrastruktur, um eine solch umfassende Musterung durchzuführen.

Der CDU/CSU - Fraktionsvize Johann Wadephul sprach sich für einen einjährigen Pflichtdienst für alle jungen Männer und Frauen aus, sei es bei der Bundeswehr oder bei anderen Hilfsorganisationen. Er betonte im Morgenmagazin von ARD und ZDF, dass eine allgemeine Dienstpflicht für die Gesellschaft von großem Nutzen wäre.

Reaktionen aus der Bundeswehr und die aktuelle Personalsituation

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, forderte gegenüber der Deutschen Presse - Agentur entschlossene Schritte. Er verwies auf die niedrigen Personalzahlen in der Bundeswehr, die im Juni den tiefsten Stand seit 2018 erreicht hatten. Wüstner hoffte, dass Verteidigungsminister Pistorius bei der angekündigten Präsentation des neuen Wehrdienst-Modells auch Pflichtanteile vorsehen würde. Er betonte, dass eine rein freiwillige Beteiligung seiner Meinung nach nicht ausreiche, um die personellen Herausforderungen der Bundeswehr zu bewältigen.

Derzeit liegt die Zahl der aktiven Soldaten um mehr als 20.000 unter dem bereits vor dem Ukraine - Krieg gesetzten Ziel von 203.000. Derzeit dienen etwa 181.000 Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Wüstner stellte klar, dass eine langfristige Zielvorgabe eine Personalstärke von 460.000 Soldatinnen und Soldaten vorsieht, davon 203.000 im aktiven Dienst und der Rest in der Reserve. Die Wehrpflicht in Deutschland wurde nach 55 Jahren im Jahr 2011 ausgesetzt, was praktisch einer Abschaffung von Wehr - und Zivildienst gleichkam. Seitdem wurden fast alle erforderlichen Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst, darunter Kasernen, Ausbilder und Waffen. Laut Verteidigungsminister Pistorius könnten die Kosten für 5.000 Wehrpflichtige bis zu 1,4 Milliarden Euro betragen.

Internationaler Vergleich und mögliche Vorbilder

Gesetzlich ist jedoch weiterhin festgelegt, dass die Wehrpflicht für Männer im Spannungs - und Verteidigungsfall wieder aktiviert wird. Frauen können seit 2001 eine militärische Laufbahn in der Bundeswehr einschlagen. Um Frauen in die Wehrpflicht einzubeziehen, müsste das Grundgesetz geändert werden. Als mögliches Vorbild für Deutschland könnte das schwedische Modell dienen, bei dem alle potenziellen Rekruten angeschrieben und nur ein Bruchteil gemustert wird. Verteidigungsminister Pistorius zeigte sich bei einem Besuch in Skandinavien im März besonders angetan von diesem flexiblen Ansatz. Generalinspekteur Carsten Breuer teilt diese Ansicht und sieht in dem schwedischen Modell eine besonders hohe Flexibilität.

Die meisten europäischen Länder haben die Wehrpflicht abgeschafft oder ausgesetzt. Dazu gehören Deutschland (2011), Italien (2005), Spanien (2002) und Frankreich (1997). In der EU haben derzeit nur noch acht von 27 Ländern eine Wehrpflicht, darunter Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Litauen, Österreich, Schweden und Zypern. Dänemark ist dabei ein Sonderfall, da Wehrpflichtige dort nur dann einberufen werden, wenn sich nicht genug Freiwillige melden.

Quelle: RBB24